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Vergangenheit unserer japanischen Großmutter

Hallo, hier ist Elisa!

In Wien, wo wir leben, sind die Temperaturen inzwischen auf einstellige Werte gesunken.
Seit November haben in der ganzen Stadt die Märkte eröffnet, und es wird langsam lebendig.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich in diesem Jahr bisher noch keinen einzigen besucht habe … 😅

Hier seht ihr das Schloss Schönbrunn, wo gerade die Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt im Gange sind. ✨
Am Abend ist alles wunderschön beleuchtet – die Lichter tauchen das Schloss in eine ganz besondere Stimmung. Egal, wie oft ich dieses Gebäude schon gesehen habe – der Himmel schafft jedes Mal einen anderen Hintergrund, und ich kann mich einfach nie daran sattsehen 🥰

In meinen letzten beiden Blogbeiträgen habe ich über meine Großmutter geschrieben.
Jetzt, mehr als drei Wochen nach ihrem Tod, habe ich das Bedürfnis, mich noch einmal intensiver mit ihrem Leben zu beschäftigen – und zu erfahren, wie sie eigentlich gelebt hat, welche Wege sie gegangen ist.

Zu ihren Lebzeiten hat sie mir hin und wieder Geschichten aus ihrer Kindheit erzählt – eine wirklich faszinierende Zeit, wie sich herausstellt. Auch meine Mutter hat mir einiges darüber berichtet, soweit sie es wusste.
Deshalb möchte ich heute gemeinsam mit euch anhand von Fotos und alten Dokumenten ein wenig in die Vergangenheit eintauchen und auf ihr Leben zurückblicken.

Sie wurde 1927 in der Präfektur Ehime geboren. Beide Eltern stammten ursprünglich aus Nagano, doch ihr Vater arbeitete für die Sumitomo-Gruppe an der Besshi-Kupfermine in Niihama, sodass die Familie weit weg in Ehime lebte. Durch eine Versetzung zog die Familie schon in den frühen Schuljahren unserer Großmutter nach Korea (heute Nordkorea).

Unsere Großmutter war das dritte von vier Kindern. Die beiden älteren Schwestern wurden bei Verwandten in Nagano untergebracht, während sie und ihr jüngerer Bruder mit den Eltern nach Korea gingen. Die Reise führte sie von Shimonoseki mit der Fähre nach Busan und anschließend nach Wonsan.

Damals war die koreanische Halbinsel noch nicht geteilt, und Japanisch war weit verbreitet, sodass unsere Großmutter ein vergleichsweise komfortables Leben hatte. Sie hatten sogar Dienstpersonal – ein Hinweis darauf, dass sie wohlbehütet aufwuchs.

Dieses Foto zeigt unsere Großmutter in jenen Jahren: von links nach rechts ihre Mutter, sie selbst, ihr Bruder und ihr Vater. Ich denke, es wurde in den 1930er-Jahren aufgenommen – erstaunlich, dass es so gut erhalten geblieben ist.

Drei Jahre nach der Ankunft in Korea starb der Vater unserer Großmutter an Typhus im Alter von nur 39 Jahren. Daraufhin musste die Familie nach Japan zurückkehren. Die Rückreise mit dem Kanpu-Linienschiff war, wie unsere Großmutter erzählte, deutlich beschwerlicher als die Hinreise.

Wenn sie diese Geschichte erzählte, zeigte sie uns immer ein besonderes Dokument: ein Gedicht, das sie im fünften Schuljahr zu Ehren ihres verstorbenen Vaters geschrieben hatte. Als ich die Schrift zum ersten Mal sah, war ich sprachlos – so schön und sorgfältig geschrieben. Glücklicherweise konnte mir unsere Großmutter den Inhalt vorlesen, und ich möchte ihn hier teilen:

Ach Vater, wenn ich nachdenke, in diesen drei Jahren
Schaue ich zu den Sternen und zu den Reetdächern

Auf dem Schulweg, beim stillen Gruß, vor dem Grab des verstorbenen Vaters
Welken die Chrysanthemen

Vor dem Schrein knieend, denke ich an den verstorbenen Vater
Und weine einen Moment

Zwischen den fallenden Blättern lese ich die Botschaften
Und erinnere mich an das Gesicht meines verstorbenen Vaters

Zu Hause, plötzlich zurückgekehrt, verschwindet mein Vater
In einem flüchtigen Traum

Als unsere Großmutter das Gedicht vortrug, standen mir die Tränen in den Augen. Sie sprach oft von der Liebe zu ihrem Vater, und man spürte diese tiefe Verbundenheit in jeder Zeile. Selbst als Kind muss sie beim Blick auf das Grab ihres Vaters jedes Mal geweint haben – ein Zeugnis von Trauer, aber auch von ihrer Stärke.

Das Gedicht bewahrte sie ihr Leben lang auf, und bei der Errichtung des Familiengrabes wurde es anstelle der Asche ihres Vaters dort niedergelegt. Ich konnte zuvor eine Kopie anfertigen und teile sie nun hier im Blog.

Manchmal erkennt man den Wert bestimmter Dinge erst im Rückblick. Die Handschrift unserer Großmutter ist ein lebendiges Zeugnis ihres Lebens – fast schon ein kleines Wunder. Es ist eine Erinnerung daran, die eigene Geschichte zu schätzen und bewusst zu leben.

Vielen Dank, dass ihr auch heute wieder meinen Blog gelesen habt!

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この記事を書いた人/Autorin dieses Artikels

In Japan aufgewachsen, jetzt in Wien lebende Phytotherapeutin.
Hobbys: Fotografie und Bloggen!

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