Hallo zusammen, hier ist Karin!
Wie geht’s euch?
Endlich wird’s wieder wärmer – man spürt schon richtig den Frühling in der Luft.
Neulich, als ich mit dem Kleinen gespielt habe, ist wieder etwas passiert, das mich total überrascht hat. In letzter Zeit steckt er sich absichtlich alles Mögliche in den Mund – einfach, um meine Reaktion zu testen, glaube ich. Diesmal wollte er ein kleines Spielzeug hineinstecken, und ich sagte in ziemlich strengem Ton:
„Das darfst du nicht in den Mund nehmen!“
Da zog er die Lippen nach unten, die Augen füllten sich mit Tränen – und dann sagte er leise
„Mama, es tut mir leid.“ Ich war sprachlos. Nicht nur, dass er das Wort „Entschuldigung“ kannte, sondern dass er es auch noch im richtigen Moment benutzte! Ich nahm ihn in den Arm und sagte: „Mama hat dich auch angeschimpft – tut mir leid.“ Dann haben wir uns fest gedrückt. Der Kleine wächst so schnell, und es macht mich einfach glücklich, das alles miterleben zu dürfen.

Heute möchte ich über ein Thema schreiben, das mir schon lange am Herzen liegt: Identität.
„Identität“ – das ist im Grunde die Frage: Wer bin ich eigentlich? Etwas, womit sich wohl jeder Mensch irgendwann beschäftigt. Für mich war dieses Thema aber besonders präsent, weil ich halb Japanerin und halb Österreicherin bin.
Elisa und ich wurden in Japan geboren – unser Vater ist Österreicher, unsere Mutter Japanerin. Bis zu meinem Ballett-Studium in Österreich habe ich ganz normal in Japan den Kindergarten, die Schule und das Gymnasium besucht. Im Inneren war ich also ganz klar Japanerin.
Aber natürlich sah ich nicht so aus. In Japan wurde ich oft gefragt: „Woher kommst du?“ oder „Wow, dein Japanisch ist aber richtig gut!“ Und jedes Mal dachte ich mir: Ich bin doch Japanerin – und Deutsch kann ich ja gar nicht!
Unsere Eltern wollten, dass wir auch mit der österreichischen Kultur aufwachsen. Zu Hause waren daher viele Bräuche und Feste österreichisch geprägt. Und durch unsere Mutter – sie ist Pianistin – lief bei uns ständig klassische Musik. Vielleicht dachte ich deshalb als Kind manchmal: Ich bin auch ein bisschen Österreicherin.
Unsere Eltern sagten immer: „Ihr seid keine Halben, ihr seid Doppelte!“ Heute, als Mutter von zwei Kindern, verstehe ich, dass das aus Liebe und Stolz kam. Damals aber empfand ich das als Druck. Ich dachte: Ich bin doch gar nicht doppelt so viel wie andere…
Mit 17 zog ich dann nach Österreich – und plötzlich war alles wieder umgekehrt. Hier sah man in mir natürlich sofort die Asiatin. Ich konnte kaum Deutsch, also wurde ich auch hier wieder als die Ausländerin wahrgenommen.
Für meinen Mann ist es übrigens so, dass ich – sobald ich in die japanische Gesellschaft eintauche – gar nicht mehr als Halbösterreicherin auffalle. So „asiatisch“ sehe ich offenbar aus.
In Japan war ich die Ausländerin, in Österreich auch – und gleichzeitig sagten meine Eltern, ich solle stolz auf beide Seiten sein. Kein Wunder, dass ich als Teenager total verwirrt war.
Ich fragte mich ständig: Wer bin ich eigentlich?
Dieses Gefühl, nirgends dazuzugehören, war schwer auszuhalten. Ich habe jahrelang damit gerungen – manchmal wusste ich gar nicht, welchen Platz ich in der Welt habe.
Aber irgendwann kam die Veränderung. Ich fragte mich: Muss ich mir darüber wirklich so viele Gedanken machen? Heute – 22 Jahre nachdem ich nach Österreich gezogen bin – denke ich mir:
Ehrlich gesagt, ist es mir inzwischen völlig egal.
Ja, ich weiß, das klingt herrlich entspannt – und genau das ist es auch. Es ist kein Desinteresse, sondern Gelassenheit.
Ich habe hier Ausbildungen gemacht, gearbeitet, Freunde gefunden, Kinder bekommen – und festgestellt, dass es in Österreich unglaublich viele Menschen mit verschiedenen kulturellen Wurzeln gibt. Ich bin also nichts Besonderes.
Wenn ich hier von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen spreche, meine ich nicht unbedingt Migranten. Europa ist ja so eng miteinander verbunden – da gibt es viele, die zwei oder mehr Kulturen in sich tragen, Deutsch sprechen, hier arbeiten und leben. Das Problem sind nur jene, die sich bewusst nicht integrieren wollen.
Früher, bei Vorstellungen oder Gesprächen, sagte ich immer: „Ich komme aus Japan, mein Deutsch ist noch nicht so gut – bitte haben Sie Nachsicht.“ Ich fühlte mich klein, weil ich Ausländerin war. Heute sage ich einfach: „Ich komme aus Wien.“ Schließlich lebe ich schon mehr als die Hälfte meines Lebens hier.
Früher hatte ich das Gefühl, dass ich – Karin – hinter einer Rüstung namens „ein Mensch zweier Kulturen“ versteckt war. Heute bin ich einfach Karin, und das „ein Mensch zweier Kulturen zu sein“ ist für mich nur noch eine neutrale Information – wie Sternzeichen oder Blutgruppe.
Seit ich aufgehört habe, mich über meine Herkunft zu definieren, bin ich innerlich frei geworden. Ich liebe und lebe beide Kulturen – die japanische und die österreichische. Ich spreche mit meinen Kindern Japanisch, genieße österreichische Traditionen – und fühle mich genau dazwischen zu Hause.
Meine Kinder werden diesen Weg irgendwann auch gehen. Ich wünsche mir einfach, dass sie sich dabei nicht zu viele Gedanken machen müssen.
Bis bald – nächste Woche schreibt wieder Elisa. Ich freu mich schon drauf!


コメント/Kommentare